Sinfonie der Stimmen, UBS Collection Basel
von: Maja Naef

Susanne Fankhauser

Susanne Fankhauser besuchte 1985-89 die Fachklasse für freies räumliches Gestalten an der Basler Hochschule für Kunst. Nachdem sie in früheren Arbeiten vorwiegend räumlich und installativ arbeitete, entstehen seit 1996 ihre grossformatigen Bilder ausschliesslich am Computer, in den sie bereits Zeitschriften wie Artforum oder Katalogen reproduzierte Kunst berühmter oder auch wenig bekannter Künstler wird zu ihrem Arbeitsmaterial, das sie am Bildschirm in einem aufwändigen Arbeitsprozess zu reduktionistischen Zeichnungen umarbeitet, die inzwischen ein digitalisiertes Archiv von über 150 Einheiten darstellen. Dabei verlieren die aus ihrem Kontext gelösten Einzelteile ihren bildhaften Charakter und mutieren durch die Digitalisierung zu reinen Codes. Beim Durchkämmen des Bildmaterials geht die Künstlerin zwar thematisch vor, doch interessiert sie sich vor allem für die äussere Form eines als Reproduktion zirkulierendes Kunstwerk. Die einmal herausdestillierten Einzelteile fügt sie dann neu zusammen, bringt sie in andere Kombinationen und lässt daraus eine neue Bild- und Kunstwirklichkeit hervorgehen.
Sinfonie der Stimmen 2002, Inkjet Print auf Papier und Dibond, laminiert, 220x 700cm
In FankhauserIn Sinfonie der Stimmen verbindet die Künstlerin insgesamt 22 Abbildungen zeitgenössischer Kunstwerke: Die als harmonisches Ganzes wirkende Konzertsituation im linken Bildvordergrund entstand durch das Ineinanderfügen der Aufnahme eines Fluxus-Konzerts mit einem Videostill aus einer Arbeit des dänischen Künstlers Joachim Koester sowie Ulrich Ellers stilisierten Trommeln. Die roten Bahnen im Bildhintergrund zitieren eine Arbeit der Basler Künstlerin Renée Levi, während auf der rechten unteren Seite die Aufnahme einer Installation Bruce Naumans mit einem Ausschnitt aus Matthew Barneys Cremaster 4, der Grünen Geige von Beuys sowie dem Balkon von Gerwald Rockenschaub interagieren. Das Kunstwerk bzw. dessen Abbildung wird durch den künstlerischen Eingriff Fankhausers zu einem einzelnen Baustein eines optischen Gebildes, das die Künstlerin einer Architektur ähnlich konstruiert. Und obschon die Bilder eine eigenwillige Raumkomposition vorführen, in der unterschiedlichste Artefakte – als Echo oder Widerhall der Kunst selbst – wahrnehmbar werden, basiert deren Szenerie einzig auf an- und übereinandergeschobenen Flächen. Die am Computer kolorierten Bildelemente erzeugen kaum Tiefe; einzelne wirken zu illustrativen Skizzen abstrahiert, während andere an Comicstrips erinnern. Das Bild verweigert die Orientierung des Blicks entlang klarer Fixpunkte. Der Bildaufbau folgt keiner Logik, besitzt weder eine Ordnung noch ein schlüssiges Nacheinander, sondern scheint die Unordnung der Kunst selbst darzustellen. Auch der Boden, die Wand oder der Hintergrund sind immer schon Bestandteile des zitierten Kunstwerks.

Susanne Fankhauser entwächst ihrer Rolle als Künstlerin; sie spiegelt sich selbst als Kunstbetrachterin und thematisiert sich gleichzeitig in ihrer kuratierenden Funktion, indem sie bereits Bestehendes auswählt, sich aneignet und schliesslich neu konfiguriert. Ihre bildgenerierende Strategie erschöpft sich nicht im blossen Rezitieren, sondern vermag durch ein Verfahren der Popkultur – dem Sampling – neue Bedeutungen herzustellen. Durch das Sampeln, eines in der Musik längst praktizierten Prinzips, hebt die Künstlerin die klassischen räumlichen und zeitlichen Kategorien oben/unten, vorne/hinten, davor/danach auf. Sampling artikuliert eine eigene Form und Praxis des Erinnerns, indem es einerseits auf bestimmte, in der Gesellschaft bekannte Bilder von Kunst referiert, und andererseits mit diesem kulturellen Bildmaterial eine spielerische Auseinandersetzung sucht: Susanne Fankhausers Bilder stimmen ein in den unabschliessbaren Prozesses des Bildermachens.